Die Seitenkanäle tragen Eisschollen. Dick eingehüllt in Steppjacken und Wollschals, die Arme vor der Brust verschränkt, warten die Gondoliere auf Kunden. Und tatsächlich entdecke ich dann zwei Touristen in einer Gondel. Langsam, ganz langsam gleitet sie über das graugrüne Wasser, zwischen den Eisbrocken hindurch.

Ich eile in die Accademia. Eingehüllt in wohlige Wärme gehe ich die Stufen hinauf in den ersten Stock, wo die wundervoll restaurierte Holzdecke der Sala dell’Albergo aus der Scuola della Carità zu sehen ist. Zwischen Blüten und Girlanden bleiben in der Decke fünf Flächen weiß und leer: die vier Evangelisten und Christus werden hier extra ausgestellt. Verschwenderisch glänzt das Gold dieser Figuren.

Ich suche die Madonnenbilder von Giovanni Bellini. Immer wieder fasziniert mich die Schönheit ihrer Gesichter, ihr ernster, stiller Ausdruck. Immer wieder zieht es mich vor allem zu dem Bild „Madonna col Bambino tra le sante Caterina e Maria Maddalena“.

Dann werfe ich einen Blick in die aktuelle Ausstellung “Lorenzo Lotto – I dipinti dell’Eremitage alle Gallerie dell’Accademia“. Seine Portraits wirken realistisch, ja modern. Meist ist der Hintergrund dunkel, bildet einen Kontrast zu den hell gehaltenen Gesichtern. Und ich erblicke ein Bild mit einem ungewöhnlichen Motiv: „Il

Bagno del Bambino Gesù“, das Lotto 1521 malte. Hier wird das Jesuskind gebadet. Ein Lichtstrahl geht von ihm aus, worüber nicht nur Josef, sondern auch der Esel erschrickt.

Vor der Kirche Sant’ Agnese spielt ein Straßenmusikant mit geröteten Fingern die immer gleiche Melodie auf seiner Geige. Eisig fegt der Wind über die Zattere, beißt in mein Gesicht. Rasch kehre ich zurück in den Schutz der Paläste, sehe elegante Damen in Pelzmänteln und wärme mich bei einem sehr süßen ponce in einem kleinen Café auf.

Ulrike Rauh - Februar 2016

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