Die letzten  Oktobertage hier sind schon etwas kühl, wohlig die Wärme dicker Jacken und Schals.
An der mittelalterlichen Stadtmauer entlang bummle ich Richtung See. Beherrschend sind auf diesem Weg die hohen, trutzigen, abweisenden Stadttürme, deren Öffnungen weit aufgerissenen Mäulern gleichen. Von großer Schönheit zeigt sich der Dom. Es vergingen vierhundert Jahre (von 1396 bis zum späten 18. Jahrhundert), bis das Bauwerk vollendet war – ein  Kunstwerk der Gotik und Renaissance. Fast grazil die Figuren der in der Lünette dargestellten Anbetung der Heiligen drei Könige. Auffallend an der Fassade sind zwei Figuren, eine von Plinius dem Älteren und  eine von Plinius dem Jüngeren. Obwohl sie ja beide keine Heiligen waren, wurden sie am Dom verewigt, da sie zu den berühmtesten Bewohnern Comos gehörten. Den wundervollen, etwas dunklen Innenraum lasse ich lange auf mich wirken. Ich staune über die hohe Kuppel, die zwei mächtigen Orgeln, die neun Gobelins, die hier sehr dominant hängen, den goldenen San Abbondio Altar im Seitenschiff.
Ich verlasse den Dom und schlendere über die Piazza Duomo mit ihren zahlreichen Cafés und Bars, komme vorbei am klassizistischen Teatro Sociale und erreiche den See. Grau und dunkelblau liegt er vor mir, Wolken umhüllen die Gipfel der Berge. Nur weiße Schiffe erinnern an Sommermonate. Eine Tafel an einem Haus  auf der Piazza Cavour weist auf den Aufenthalt von Franz Liszt und Marie d’Agoult in Como und auf die Geburt ihrer Tochter Cosima hier.
Auf meinem Weg zurück zur Piazza Vittoria besuche ich das Archäologische Museum im prachtvollen Palazzo Giovio auf der Piazza Medaglia d’Oro. Mich interessiert vor allem das Holzmodell der unter Julius Cäsar 59 v. Chr. wieder errichteten Stadt Como. Deutlich erkennt man das Theater, das Forum, die Thermen. Ziemlich weit außerhalb gab es offenbar mehrere Nekropolen. Ich erfahre auch etwas über den Alltag der Römer, wie sie sich in der Palästra ertüchtigten, welches Spielzeug die Kinder hatten, und auch, was sie aßen. Da die Römer ihre Essensreste auf den Boden warfen, hatte man erfahren, welche Speisen sie zu sich nahmen. Und es gibt auch ein Rezept für die Zubereitung einer Gans!
Wieder in Mailand, habe ich vor, einen Blick  in den Dom zu werfen. Nieselregen und eine unendlich lange Warteschlange, geduldig ausharrend unter Regenschirmen, lassen mich wieder umkehren und mit der Straßenbahn nach Hause fahren. Sehr gelassen bemerkt meine Freundin:
„Weißt du, erst hatten wir die Mafia, dann die Roten Brigaden und jetzt die Terroristen.“
Ein Satz, der mich doch sehr nachdenklich stimmt.
                                                                        
Text und Fotos Ulrike Rauh