Bei einer Führung im Teatro Politeama erfahren wir, dass dieses Theater für das Bürgertum als Gegenstück zum Teatro Massimo, dem Theater der Aristokratie, erbaut wurde. Aus diesem Grund gibt es hier auch keine Königsloge. Unermüdlich steigen wir die Ränge hinauf und nehmen mit immer größerem Bedauern den Verfall des einst prächtigen Dekors wahr. Es fehle an Geld, meint der junge Führer und fügt hinzu, dass er wisse, wie perfekt in Deutschland restauriert werde. Schließlich erreichen wir die Quadriga hoch oben über dem Eingang, der als Triumphbogen gebaut wurde, und werden belohnt mit einem großartigen Blick auf die Stadt. Gegenüber dem Politeama entdecken wir das im Jugendstil erbaute Teatro Nazionale Biondo – heute eine Bingo-Halle.
Im Cafè Spinato, das man bei einem Palermo-Besuch keinesfalls auslassen darf, stärken wir uns bei Espresso und köstlichen Törtchen, ehe wir zu den Quattro Canti laufen, einen kurzen Blick auf die Fontana Pretoria werfen, und im Kalsa-Viertel, das an Palermos arabische Vergangenheit erinnert, die Via Alloro suchen, und schließlich auch finden, um den Palazzo Abatellis zu besichtigen.
Während unseres ausgedehnten Stadtbummels stellen wir fest, wie viele Häuser in Palermo inzwischen renoviert wurden, wie sehr sich das Stadtbild zum Positiven verändert hat, was allerdings nicht für die 12 bis 14 hohen Stockwerke der Gebäude im Zentrum der Stadt gilt. Aus der conca d’oro wurde die conca di cemento, wie die Einheimischen diese geballte Häufung von Beton nennen.
Bevor wir den Palazzo Abatellis besichtigen, essen wir in einem kleinen Restaurant sehr gut zu Mittag. Zu unserer großen Überraschung erfahren wir beim Bezahlen, dass das coperto ( hier ohne Brot!) den Tisch, das Besteck, den Stuhl und, der Ober deutet mit weit ausgebreiteten Armen nach oben, auch den Sonnenschirm beinhalte.
Mit neuem Wissen bereichert, betreten wir den Palazzo Abatellis, welchen der Adelige Francesco Abatellis nahe dem Meer in nur fünf Jahren erbauen ließ. Da die Abatellis-Familie ohne Nachkommen blieb, wurde aus dem Anwesen ein Dominikaner-Kloster. Nach Restaurierungsarbeiten ist seit 1954 hier die Galleria Nazionale della Sicilia untergebracht. Im Erdgeschoß bewundern wir das eindrucksvolle Fresko „Triumph des Todes“ aus dem 15. Jahrhundert, können uns nur schwer trennen von den Skulpturen wie der „Eleonora aus Aragonien“. Der Höhepunkt unseres Besuches ist jedoch die „Annunciata“ von Antonello da Messina.
Juttas Freundin Mariella, die uns nicht nur in Restaurants einlädt, sondern auch zu sich nach Hause zu einem überaus reichlichen Abendessen, mit ihr unternehmen wir in diesen Tagen auch Ausflüge wie den Besuch der großartigen Benediktinerabtei San Martino delle Scale, die im 6. Jahrhundert errichtet, 300 Jahre später von den Sarazenen zerstört und im 14. Jahrhundert wieder aufgebaut wurde. Für die Besichtigung dieses Bauwerks hat Mariella eine private Führung für uns organisiert. Sie fährt uns auch zum Monte Pellegrino, dem heiligen Berg Palermos. Hier besuchen wir das Santuario Santa Rosalia. Nach steilem Treppenaufstieg betreten wir eine Kirche, hineingebaut in eine dunkle Grotte, in welcher im Altarraum die Statue der Heiligen in hellem Blau erstrahlt. In einem kleinen tempelähnlichen Bau, dem Altar der Heiligen, ist sie als liegende Figur in vergoldetem Gewand, mit einem Engel an ihrer Seite, dargestellt. Nach diesem eindrucksvollen Besuch genießen wir die Landschaft in der Umgebung mit einzigartigen Ausblicken auf Meer und Berge. Auf dem Rückweg fahren wir durch Palermos Badeort Mondello mit seinen eleganten Villen und der gepflegten Strandpromenade. Noch genießen einige Badegäste das Schwimmen im Meer bei Temperaturen von 24 Grad und mehr.
Unseren Aufenthalt in Palermo beenden Jutta und ich mit einem Besuch in Cefalù. Wir fahren mit dem Zug, bummeln durch die Stadt zum Normannendom und essen im Restaurant „Il Covo Del Pirata“ ganz ausgezeichnet zu Mittag. Was genießen wir mehr? Die guten Speisen oder den einmaligen Blick auf das Meer vom kleinen Balkon mit nur drei Tischen?
Pünktlich erreichen wir den Bahnhof für die Rückfahrt, doch der Fahrplan, der aushängt und nach dem wir uns gerichtet haben, gilt nicht mehr. Nur die Anzeige auf dem Bildschirm trifft zu. So warten wir geduldig am Bahnsteig auf den nächsten Zug, wobei uns bewusst wird, wie ausgefüllt unsere Tage in Palermo waren.
Ulrike Rauh
(copyright und Fotos: Ulrike Rauh)