Eher unauffällig nimmt sie in der ersten Reihe Platz und folgt konzentriert der von ihr dramatisierten Fassung eines unveröffentlichten Werkes von Gabriele d’Annunzio, den „Lettere d’amore“, eine szenische Lesung von Liebesbriefen an Barbara.

Das Bühnenbild zeigt Kostüme auf einem Kleiderständer, weiße Laken auf Tisch und Stuhl und eine Holzkiste, gefüllt mit den Briefen d’Annunzios. Die Schauspielerin Monica Gruber liest engagiert diese Briefe, vermittelt überzeugend das ungläubige Staunen einer Tochter, die ihrer Mutter keinen Liebhaber zugetraut hat. Im letzten Brief erfährt sie allerdings, dass jene Barbara gar nicht ihre Mutter, sondern eine ganz andere Frau mit dem gleichen Namen war.

Nach diesem Monolog betritt Dacia Maraini die Bühne, elegant gekleidet in dunklem Hosenanzug. Mit herzlichem, gewinnendem Lächeln einerseits, gewisser Distanz zum Publikum andererseits, stellt sie ihr neues Buch „La grande festa“ vor. Darin erinnert sie sich an schon verstorbene Freunde. „In meinem Herzen ist ein Friedhof“, sagt sie, traurig, und doch mit dem Anflug eines kleinen Lächelns. Sie erzählt von Pier Paolo Pasolini und Maria Callas, mit denen sie mehrere Reisen unternahm. Erwähnt die enge Bindung Pasolinis an seine Mutter und beschreibt die Kurzsichtigkeit von Maria Callas, welche die „Aida“ ja nicht mit Brille singen konnte, welche nie den Dirigenten sah und doch immer ihren Einsatz wusste .Und sie berichtet von ihrer jüngeren Schwester, der sie sich sehr verbunden fühlte. Und selbstverständlich von ihrer Beziehung zu Alberto Moravia, mit dem sie 21Jahre liiert war. Es ist nur ein kurzer Augenblick, in dem sie aus ihrer Souveränität heraustritt, dann nämlich, als sie über Krankheit und Tod ihres Lebensgefährten Giuseppe Moretti, dem Schauspieler und Musiker, spricht.

Nach der Lesung beantwortet sie ausführlich und liebenswürdig die vielen Fragen aus dem Publikum. Fragen zum Tod, Fragen zu ihrem Schreiben. Ja, das Schreiben sei schon anstrengend, aber der Leser dürfe die Mühe nicht merken. Und sie vergleicht einen Schriftsteller mit einem Tänzer, der Stunde um Stunde hart trainiert und bei seinem Auftritt mühelos über die Bühne schwebt. Dennoch – schreiben sei für sie notwendig, mache sie glücklich. Auf die Frage, welche Personen außer den bereits erwähnten ihr im Leben wichtig waren, nennt sie u.a. ihren Vater, dann Italo Calvini, Giorgio Bassani, Natalia Ginzburg.

Dacia Maraini, einst engagiert in der italienischen Frauenbewegung, würde sich nicht als „feministische“ Autorin bezeichnen. Ihr Interesse gilt der weiblichen Identität, die Frau steht im Mittelpunkt ihrer Werke – all dies vermittelte sie den überaus interessierten und lange applaudierenden Zuhörern eindringlich und sehr charmant.

Ulrike Rauh  

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